Oona Horx-Strathern gibt in ihrem HomeReport Ausblick auf die Wohntrends 2021.

Der HomeReport 2021 von Oona Horx-Strathern formuliert drei Trends: Romancing the Balcony, Home Suite Home sowie Hoffice. Alle Strömungen stehen unter dem Einfluss der Pandemie und ihrer Folgen.


HomeReport-Trend: Romancing The Balcony
In Relation zum geringen Platz, den ein Balkon einnimmt, kann er einen erstaunlich großen positiven Effekt auf die Bewohner ausüben. Oft sind schon wenige Quadratmeter ausreichend, um ein erfülltes und abwechslungsreiches Balkonleben zu ermöglichen. Outdoor-Möbel erlebten in den vergangenen Jahren einen Boom (Home Report 2019, Kapitel „Inside Out Design“), aber auch Stoffe oder Bodenbeläge für draußen. Viele Menschen waren vor allem in Zeiten der Krise damit beschäftigt, „Pflanzeneltern“ zu werden, zu malen, zu dekorieren und ein Plätzchen für ihre neuen Gewächse einzurichten. Der Balkon verwandelt sich mehr und mehr in einen Garten und beschert unserem Zuhause nicht nur ein Stück Freiheit, sondern macht es auch wertvoller und begehrter. Während des coronabedingten Lockowns im Frühjahr galt es als Privileg, einen Balkon oder Garten zu besitzen. Diejenigen, die keinen hatten, sehnten sich danach. Das spiegelte sich auch auf dem Immobilienmarkt wider, wo in den vergangenen Monaten eine verstärkte Nachfrage nach Wohnungen mit Balkon verzeichnet wurde (vgl. ImmoScout24 2020a und 2020b, Gray 2020). So beispielsweise auch in New York, wo Nathan Rich, Gründungspartner des New Yorker Architektur- büros PRO, Lösungsansätze für den nachträglichen Anbau von Balkonen in den Sozialwohnungen der Stadt aufzeigt. In New York leben rund 400 000 Menschen in den von der New York City Housing Authority (NYCHA) bereitgestellten Sozialwohnungen, ohne über einen Zugang zu einer Outdoor-Fläche zu verfügen (vgl. Cogley 2020a). Doch auch bei Neubauten erfinden Architektinnen innovative Lösungen. Die US-amerikanische Architektin Jeanne Gang erbaute beispielsweise das Wohnhochhaus Aqua Tower in Chicago mit versetzt ausgerichteten Balkonen, um die Menschen zu ermutigen, mehr mit ihren Nachbarn zu kommunizieren. Andererseits kehren viele Städter dem urbanen Raum den Rücken, um sich auf dem Land ein Haus mit Garten zu leisten.

HomeReport-Trend: Home Suite Home
Die Tatsache, dass wir mehr Zeit als je zuvor in unseren eigenen vier Wänden verbracht haben, hat eine Aufwertung und Neubewertung unserer Wohnungen sowohl in physischer als auch emotionaler Hinsicht bewirkt. „Viele versuchen nun, ihr Zuhause von der klassischen Kategorie des ‚Home Sweet Home‘ zu einem – wie ich es nenne – ‚Home Suite Home‘ aufzurüsten“, schreibt Horx-Strathern. Das fängt beim Schlafzimmer an – Tipp: zusätzliche Kissen auf das Bett legen und sie aufrecht stapeln. Auch die Beleuchtung ist wichtig. Henry Chebaane, der Designer des neuen Gyle-Hotels in London, betont: „Zwei oder mehr indirekte Lichtquellen in Kombination geben ein reichhaltiges, wärmeres Gefühl.“ Die Küche erlebt eine Rückbesinnung auf ihre eigentliche Bedeutung: Endlich sind wir dazu übergegangen, sie dafür zu nutzen, wofür sie gedacht ist – nämlich zum Kochen. Die schicke „Trophy Kitchen“ wird wohnlicher und funktionaler. In der Krise war das Badezimmer für viele Menschen der Ort, an dem sie sich zurückziehen konnten. Diese Entwicklungen stützen die These, dass das Badezimmer zu seiner „Ur-Form“ zurückkehrt. Denn auch das Boudoir, in seinem ursprünglichen französischen Wortsinn „Schmollplatz“, war das Zimmer, in das sich die Dame des Hauses zurückziehen konnten.

HomeReport-Trend:Hoffice
Ein ruhiger Ort für die Arbeit ist gar nicht so leicht zu finden, wenn sich alle Lebensbereiche plötzlich an einem Ort abspielen: „Von einem Tag auf den anderen von zu Hause aus zu arbeiten, war jedoch für viele eine brutale, darwinistische Lektion in Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Geduld.“ schreibt Horx-Strathern. „Von den Menschen, die während des Lockdowns von zu Hause aus arbeiteten, benötigten viele nicht nur Beratung, sondern auch neue Möbel und grundlegende Unterstützung. Denn auch wenn man zuvor noch nicht oder nur in Ausnahmefällen von zu Hause aus arbeiten konnte, festigte sich der Wunsch, auch in Zukunft regelmäßig Homeoffice nutzen zu können.“ Diese Entwicklung birgt viel Potenzial: Eine Untersuchung der internationalen Berufsakademie in Deutschland (IBA) zeigt, dass vor allem jüngere Beschäftigte unter 30 Jahren über schlecht ausgestattete Homeoffice-Plätze verfügen. Rund ein Drittel der Befragten besitzt keinen festen Arbeitsplatz, sondern wechselt stets zwischen provisorischen Orten. Horx-Strathern: „Das erfolgreiche Hoffice könnte ein remote-unterstützter hybrider Wohnraum sein, der sich unseren Gewohnheiten anpasst.“ Wenn beispielsweise neue Möbel angeschafft werden, wenn sich die Familienzusammensetzung verändert oder ein neuer Partner einzieht, wandelt sich auch das Homeoffice.

Trends der Stadtplanung
Die Baubranche betreffend prognostiziert Horx-Strathern eine (noch) größere Bedeutung für das modulare Bauen: „Bereits vor der Krise war die modulare Bauweise im Aufschwung begriffen. Sie gilt als schnell, kostengünstig, umweltfreundlich. Doch Kritiker und Kritikerinnen bemängeln eine fehlende Langlebigkeit und Qualität der Gebäude. Nun, da wir plötzlich ein Umdenken erleben und Menschen für ihre Gesundheit Abstand halten sollen, braucht es größere Flächen und neue Räume. Hierbei pro- tiert die Baubranche von der Flexibilität und Schnelligkeit der modularen Bauweise.“ Innerhalb weniger Tage könnten Klassenräume erweitert oder neue Patientenzimmer eingerichtet werden.

Der Megatrend Gender Shift erreicht die Architektur und Baubranche – wenngleich nur langsam. „Die meisten Menschen können nur eine Handvoll Architektinnen, Designerinnen und Stadtplanerinnen nennen“, so Horx-Strathern. Urbane Planung sei an den Bedürfnissen von Männern orientiert. Dies ändere sich gerade: In der schwedischen Hauptstadt Stockholm ist das sogenannte Gender Mainstreaming fest in die Politik implementiert, sodass bereits mehrere Projekte erfolgreich realisiert werden konnten. So wurden beispielsweise vermehrt Straßenbeleuchtungen installiert. Unter dem Begriff Hyperlokalität entdeckt Horx-Strathern das Dorf in der Stadt: „In der Corona-Krise sorgten neben möglichst nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten vor allem Orte für eine hohe Lebensqualität, an denen Begegnungen mit anderen Menschen möglich sind. Grünflächen in der Stadt oder leicht zu erreichende Naherholungsgebiete stehen hoch im Kurs. Zahlreiche Städte arbeiten bereits seit Längerem daran, die Gehzeit von Stadtbewohnerinnen zu Grünflächen auf wenige Minuten zu reduzieren.“ Die Rückbesinnung auf eine hyperlokale Verbundenheit, auf multifunktionale statt monothematische Stadtviertel sorge für mehr Lebensqualität. Diese Veränderungen werden der urbanen Bevölkerung zugutekommen – nicht nur in physischer, sondern vor allem auch in psychischer Hinsicht. Sie tragen zu einer besseren Gesundheit sowie zu einem stärkeren sozialen Zusammenhalt bei. Auch Co-Living ist ein Trend in der Krise – gemeinsam in einem Haushalt ist man weniger allein.

Weitere Informationen zum HomeReport 2021 www.zukunftsinstitut.de