Der Objektmarkt hatte schon immer seine eigenen Gesetze und war nicht für jedermann ein lukratives Betätigungsfeld. In Post-Corona-Zeiten könnte es jedoch lohnend sein, ihm mehr Beachtung zu schenken.

In den letzten Wochen und Monaten hat wohl jeder versucht, einen Blick in die Glaskugel zu werfen, um zu erfahren, wo ihn Corona hinführt und wie es in Zukunft weitergeht. Auch wir haben Prognosen von Marktforschern, Auswertungen von Statistikern und Empfehlungen der Branchenverbände gesichtet und analysiert. Viel wichtiger jedoch, wir standen mit vielen unserer Leser sowohl aus Handwerk und Handel als auch aus der Industrie im engen Kontakt. Eine Erkenntnis daraus ist, dass die Branche in der Krise enger zusammenrückt, man sich gegenseitig unterstützt und gemeinsame Ziele verfolgt. Erfreulich: Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben den Lockdown gut überstanden, etliche können sich sogar über ein Plus an Aufträgen freuen. Marktanalyse2RZDiese positive Einschätzung deckt sich übrigens auch mit den Aussagen vieler Hersteller, so schrieb Jens Diedrichsen, Geschäftsführer Interstil, Anfang Juni seinen Kunden: „Während viele Menschen um ihre Existenzen bangen und mit Sorge in die Zukunft blicken, haben wir bei Interstil einen Auftragseingang wie im Weihnachtsgeschäft. Das Schöne daran ist, dass dies zeigt, wie gut wir gemeinsam in unserer Branche im Augenblick dastehen.“ Sicher, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber unter den gegebenen Vorzeichen lassen sich für das Objektgeschäft derzeit folgende Szenarien erkennen: Wegen Corona fallen mittelfristig (Fern-)Reisen aus und verlieren in der Urlaubsplanung an Bedeutung. Es wird also verstärkt in Deutschland gereist. Das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe, das schon vor Corona Nachholbedarf in der Modernisierung hatte, muss nun der neuen Begehrlichkeit gerecht werden, dazu zählt an erster Stelle ein attraktiver Auftritt des Interieurs. Auch ist mit weiteren Neu- und Erweiterungsbauten zu rechnen sowie einem deutlichen Anstieg der Ferienhäuser und -wohnungen. Für den stationären Einzelhandel gilt es, sich gleich aus zwei Krisen freizuschwimmen. Aktuell muss das Vertrauen der Kunden zurückgewonnen werden, wieder sicher und mit Spaß shoppen gehen zu können. Gleichzeitig sind die Bemühungen zu verstärken, sich gegen den Online-Handel zu positionieren. Die Einkaufskultur durchläuft einen Wandel vom Point of Sale zum Point of Experience. Nur mit echten Erlebniswelten kann Online-Shopping die Online-Kunden begeistern. Wegen des steigenden Wettbewerbs ist mit kürzeren Umbauzyklen zu rechnen.

Arbeitsmarkt im Wandel
Nicht nur die konjunkturellen Effekte der Corona-Pandemie, sondern auch die strukturellen Veränderungen in der Arbeitswelt stellen das Segment Büro und Verwaltung vor große Veränderungen: Das Arbeiten von zu Hause hat durch Corona an Akzeptanz gewonnen, die fortschreitende Digitalisierung macht es für viele möglich, ihrer Arbeit an nahezu jedem Ort nachgehen zu können. Daraus ergeben sich langfristig drei Trends: Das Homeoffice wird als fester Bestandteil einer Wohnung eingeplant und fordert eine besondere Einrichtung. Großraumbüros in vorhandenen Verwaltungsgebäuden werden verkleinert und nach einem Multispace-Konzept umgebaut, das den Mitarbeiter in seinem Bedürfnis nach Konzentration, Rückzug und Kreativität fördert. Als dritte (Büro-)Arbeitsform gewinnt das Coworking an Bedeutung. Freiberuflern, Start-ups oder Projektgruppen werden temporär Arbeitsräume zur Verfügung gestellt. Das Besondere: Neben einem Raum mit Schreibtisch wird auch die komplette Infrastruktur, von der IT über die Kaffee- küche bis hin zum Workout-Bereich, angemietet. Der Zielgruppe wird ein Ort des kreativen Austauschs und nicht nur eine Arbeitsstätte angeboten. Vor massiven Veränderungen insbesondere durch den Demografieschen Wandel hervorgerufen, steht der medizinische Bereich: Bis 2030 wird erwartet, dass rund drei Viertel der ärztlichen Vollzeitkräfte in den Ruhestand gehen. Viele niedergelassene Ärzte suchen daher einen Nachfolger, dem sie oft ein renovierungsbedürftiges Objekt übergeben. Im ländlichen Raum gewinnen zudem Gemeinschaftspraxen an Bedeutung. Bei beiden Formen der Patientenbetreuung gilt: Der erste Eindruck zählt. Eigentlich sollte dies auch die Maxime im Bildungssektor sein, der ein großes Potenzial für die Branche darstellen könnte. Jedoch ist entschlossenes Handeln von Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene derzeit nicht zu erkennen. Beteuerungen der Bundesregierung, Schulen und Kindergärten in der räumlichen (und technischen) Ausstattung zu unterstützen, bleiben oft nur Lippenbekenntnisse. Die öffentliche Hand als Auftraggeber dringend notwendiger Modernisierungsmaßnahmen schafft es nur schleppend, Arbeiten auszuschreiben, und hat zudem als säumiger Zahler nicht den besten Ruf beim Handwerk. Dabei gäbe es Arbeiten genug, die perfekt in den zurückliegenden Monaten hätten erledigt werden können. Unterm Strich zeigt sich also, dass unsere Branche vielleicht nicht mit „Wumms“ aus der Krise kommt, aber sicher mit Achtsamkeit und Optimismus. Viel Erfolg!

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