ZVR-Präsident Ralf Vowinkel und Kristina Buschauer, Leiterin der ZVR- Geschäftsstelle in Heilbronn, anlässlich der Internationalen Handwerksmesse (IHM) im Juli in München.

ZVR-Präsident Ralf Vowinkel, seit September 2020 im Amt, hat in herausfordernden Zeiten die Reset- Taste für den Zentralverband Raum und Ausstattung gedrückt – mit ersten respektablen Erfolgen.

Herr Vowinkel, wie ist die aktuelle Stimmung im Verband und bei den Branchenpartnern des ZVR?
RALF VOWINKEL: Vor zwei Jahren hat der Neuorientierungsprozess des ZVR begonnen. Der Verband hat sich unter dem neuen Vorstand auf die Fahne geschrieben, dass wir jedes unserer Mitglieder – mit seinen Landesverbänden und Innungen – sowie Branchen- und Fördermitglieder des ZVR so transparent wie möglich informieren und mitnehmen wollen. Wichtige Projekte können nur gemeinsam mit allen Akteuren der Branche identifiziert und auf den Weg gebracht werden. Auf unserer coronabedingt ersten Mitgliederversammlung in Präsenz im Mai dieses Jahres berichteten wir offen über die Arbeit des Vorstands, der Geschäftsstelle, der Ausschüsse sowie über laufende Projekte und stellten erste Ergebnisse aus
unserer bisherigen Arbeit vor. Wichtige Signale an unsere Mitglieder waren und sind unser Bemühen um eine gut funktionierende Basisarbeit und ein erstmals nach vielen Jahren wieder deutliches Plus im Geschäftsergebnis. Wir spüren bei unseren Mitgliedern eine Aufbruchsstimmung, die uns anspornt. Der ZVR erweist sich als sichtbar in der Branche, wir führen Gespräche mit ausgetretenen Innungen, die wieder Interesse an einer Mitgliedschaft zeigen, und freuen uns dar- über, dass Lieferanten auf uns zukommen, die Fördermitglied bei uns werden wollen.

Wie stellt sich der ZVR in Zahlen dar?
Aktuell sind dem Verband 43 Landesverbände und Innungen mit insgesamt rund 1 600 Mitgliedern angeschlossen. Aktuell haben wir zwei Innungen zurückgewinnen können. Darüber hinaus hat der ZVR 26 Fördermitglieder und neun Branchen- beiratsmitglieder. Seit Oktober 2020 sind zehn neue Fördermitglieder hinzugekommen, zuletzt Kendix (zvr-info.de, unter Partner).

Welches sind Ihre vordringlichen Themen und Projekte?
Alles hängt mit allem zusammen: Wir haben ein Problem mit dem Berufsbild, das wir schärfen und attraktiver gestalten müssen, um bei unseren wichtigsten Zielen, nämlich Nachwuchsgewinnung und Fachkräfte-Sicherung, erfolgreich zu sein. Unser Ziel für ein modernes Berufsbild ist es, die Trends der Zeit wie beispielsweise Smart Home, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Aus- und Weiterbildung zu verankern. Zugleich dürfen wir die traditionellen Handwerkstechniken des Raumausstatters wie das Schnüren bei der Polsterung, die Teppichboden- oder Wandbespannung nicht aufgeben – denn diese Kompetenzen unterscheiden uns beispiels- weise vom Industriepolsterer oder Maler.

KRISTINA BUSCHAUER: Eine bundesweit einheitlich ausgerichtete Aus- und Weiterbildung hat für uns Priorität. Die neue Meisterprüfungsverordnung steht kurz vor der Ratifizierung. Parallel wird ein erstmals bundesweiter Rahmenlehrplan erstellt, den die Meisterschulen und Experten aus uns nahe stehenden Organisationen wie beispielsweise dem Restauratorenverband – insgesamt 25 Beteiligte – mit organisatorischer Unterstützung der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) erarbeiten. Dieser wird voraussichtlich im Frühjahr zur Verfügung stehen und nach einer Vorbereitungszeit für die Lehrer in den Meisterklassen nach den Sommerferien 2023 umgesetzt.

Was trifft zu: Nachwuchs gibt es genug, aber keine Ausbildungsbetriebe – oder: Es fehlt an ausbildungswilligem Nachwuchs?
VOWINKEL: Ich höre beide Aussagen, auch geografisch unterschiedliche. Kollegenbetriebe im Osten sagen mir, sie können sich die Ausbildung nicht mehr leisten, da die Vergütungen zu hoch sind. In Stuttgart heißt es, man müsse die Vergütung erhöhen, um attraktiv für Nachwuchs und Fachkräfte zu sein. Mein Vorstandskollege Ralph Waskey hat gleich zwei engagierte junge Auszubildende gefunden, denen er gerne eine etwas höhere Vergütung zukommen lässt. Aber natürlich ist es für einen Betrieb zu teuer, wenn man einen mittelmäßig interessierten Auszubilden- den, zudem mit Erziehungsbedarf, sozusagen durchschleppt. Aus meiner eigenen Praxis kann ich berichten, dass mich bei meinen vier Auszubildenden in den letzten Jahren nicht die Schulnoten interessiert haben, sondern vielmehr die Leidenschaft, mit der ein junger Mensch für den Raumausstatter-Beruf brennt – dann findet er auch einen Ausbildungsbetrieb. Als Ausbilder müssen wir dem Nachwuchs die Perspektiven unseres Berufs aufzeigen: die Möglichkeit, nach der Gesellenprüfung einen Studiengang oder die Meisterprüfung zu absolvieren, sich weiterzubilden als Restaurator, Betriebswirt im Handwerk oder Energieberater, Erfahrungen in anderen Betrieben zu sammeln oder auch in die Industrie zu gehen. Um dann anschließend Können und Erfahrungen im elterlichen Betrieb einzubringen, der vor dem Generationswechsel steht, und diesen in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu führen.

Wie kann konkret der ZVR den Zugang zur Ausbildung erleichtern und die Begeisterung für den Raumausstatter-Beruf wecken? Wir setzen uns dafür ein, dass die Ausbildungsförderungen, die ausgelaufen sind, wieder eingeführt werden, dass die Berufsberatung auch in die Gymnasien geht – viele Teilnehmer unseres Praktischen Leistungswettbewerbs (PLW) sind Abiturienten. In unserem Sommer-Newsletter haben wir angeregt, dass die Studentenwohnheime auch für Auszubildende aus dem Handwerk offen stehen sollen. Die Bundesregierung hat, wie den Reden auf der IHM in München zu entnehmen war, den dringenden Handlungsbedarf in der Nachwuchsgewinnung im Handwerk erkannt und plant genau das. Die Begeisterung für das Berufsbild eint die Branchenbeiräte und den ZVR, sodass alle das gemeinsame Engagement bündeln möchten. Der ZVR ist mit seiner Arbeitsgruppe „Ausbildungs- initiative“ dabei, das Konzept dafür zu erarbeiten, Ergebnisse sollen auf der kommen- den Mitgliederversammlung im Herbst vorgestellt werden.

Wie ist die konjunkturelle Situation bei den Mitgliedern?
BUSCHAUER: Noch sind die Auftragsbücher voll. Doch Neubauten werden sich aufgrund der steigenden Kosten verzögern. Infolge eines Neubaus ergeben sich im Durchschnitt fünf Umzüge und damit verdient das Raumausstatter-Handwerk sein Geld. Andererseits lässt sich mit Textilien im Raum Energie einsparen – hier sollte die Werbung ansetzen!

Ihr Blick auf die Heimtextil-Messe 2023?
VOWINKEL: Gemeinsam mit unseren aus- stellenden Lieferanten und dem Magnet Deco Team sind wir eine kompakte, große Raumausstatter-Familie – der Messebesuch ist ein „Must-Go“. Wir vom ZVR freuen uns darauf, endlich alle wiederzusehen!

Vielen Dank für das Gespräch.