Die Kunst der Verführung am Point of Sale beherrscht Christian Mikunda, ehemaliger Film- und Fernsehdramaturg. Er berät die Automobilindustrie und den Einzelhandel, Fernsehanstalten, Museen und Flughäfen, entwickelt Brandlands und Shopping Malls und findet den „roten Faden“ für Städte und Regionen. Als Dozent lehrte er in Wien, Salzburg und München, war Gastprofessor in Klagenfurt und Tübingen und Guest Speaker an der Harvard University in Boston.
Nach seinem Vortrag beim Future Living Interior Congress hat die RZ – Trends Interior Design ihn zum Interview getroffen und gefragt, wie die Ideen, Theorien und Konzepte, die Mikunda unter anderem in seinem Buch „Hypnoästhetik – die ultimative Verführung in Marketing, Handel und Architektur“ zeigt, auch für Raumausstatter und Inneneinrichter umgesetzt werden können und wie man es schafft, das Durcheinander einer sogenannten „Gerümpeltotale“ zu vermeiden.
Herr Mikunda, Sie sprechen beim Thema Ladengestaltung von der „Gerümpeltotale“, also der Gefahr des Chaos durch Vielfalt. Wie kann auf kleiner Fläche Warenpräsentation gelingen?
Christian Mikunda: Exakt. Es gibt Branchen, die sehr anfällig sind für das, was ich als „Gerümpeltotale“ bezeichne: Spielwarengeschäfte, manche Drogerien beispielsweise zählen dazu und auch häufig die Raumausstatter – die „Gerümpel- totale“ entsteht oft dort, wo viel Formen, Farben, Muster aufeinandertreffen. Mein Rat: Je kleiner die Fläche, desto mehr braucht man den Mut, Dinge wegzulassen. Hier gilt umso mehr „less is more“. Und, das klingt nun vielleicht erst einmal verwunderlich, ich muss mich entscheiden: Möchte ich viel Ware oder viele Kunden haben? Denn die „Gerümpeltotale“ regt nicht zum Kaufen an. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass ich auch auf kleiner Fläche sehr gut inszenieren kann.
Wie gehe ich am besten vor?
Bei der Hypnoästhetik verschmelzen verschiedene Techniken der Psychotherapie und künstlerisches Geschick zur ultimativen Verführung. Inszenierungen im Ladengeschäft lösen eine Erlebniswirkung auf den Kunden aus. Je kleiner die Fläche, desto wichtiger ist also die psychologische Intention und Präzision, mit der ich die Hypnoästhetik einsetze. Will ich den Käufer verführen, dann brauche ich nicht unbedingt immer viel Platz und großes Budget – ich muss die richtige Hochgefühlsebene wählen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Zuallererst muss ich mein Produkt und mein Sortiment kennen, verstehen und analysieren. Dann überlege ich, wie ich der Emotionalität eine räumliche Entsprechung geben kann. Dazu dienen mir die Säulen der Hypnoästhetik, wie „Art Priming“: Einen hochwertigen Stoff kann ich mit Kunst inszenieren und so veredeln.
Wie und wo findet man Inspiration für das eigene Geschäft?
Dazu hilft es schon, wenn man mal den Laden zusperrt und über den Fußboden robbt – einen völlig anderen Blickwinkel und eine neue, ungewohnte Perspektive einzunehmen ist ein alter Trick. Dazu mit offenen Augen durch die Welt gehen, auch abseits der eigenen Branche Shops und Showrooms besuchen. Dazu rate ich immer wieder! Ich biete beispielsweise Lernexpeditionen, bei denen Stores und Museen besucht werden, in denen ich zeige, wie Ladendramaturgie und Hypnoästhetik beispielhaft eingesetzt werden.
Sie raten dazu, mutiger zu Sein?
Ja unbedingt! Einen Münchner Sneaker-Store nenne ich an dieser Stelle gerne als Beispiel: Dort gibt es Ölgemälde, und in diese historischen Bilder sind die modernen, trendigen Schuhe hineingemalt – das ist „Destabilization“, also die kontrollierte Verwirrung. Diese Idee der geplanten Tabubrüche lässt sich wunderbar auf Einrichter und Raumausstatter übertragen. Wieso nicht den Stoff, die Tapeten mal völlig neu, außergewöhnlich, unerwartet in Szene setzen? Der Kreativität sind dabei so gut wie keine Grenzen gesetzt.
Gilt das auch für Bodenbelag?
Natürlich, absolut. Die beste Präsentation für Teppiche die ich kenne, ist im Museum für Angewandte Kunst in Wien. Dort werden Orientteppiche gezeigt, die von der Decke hängen und scheinbar durch die Luft fliegen – das ist toll, anders, spannend. Deswegen müssen Händler jeder Branche reisen, Museen besuchen, sich mit Kunst und Design beschäftigen. Wenn Sie mit Stoffen, Tapeten und Möbeln handeln, dann müssen Sie im Laden auch ein bisschen was von sich selbst preisgeben. Man verkauft Stoffe – man liebt Stoffe und Ästhetik – das soll auch der Kunde sehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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