Zirkuläre Wertschöpfung ist für das Handwerk keine graue Theorie, sondern gelebte Tradition, die sich einer steigenden Nachfrage erfreuen wird – auch von Zielgruppen, die heute noch nicht erreicht werden.

Produkte wie diese Desso-Teppichfliesen definieren sich heute nicht mehr nur über Optik und Funktionalität, sondern auch über ihren geringen CO2-Fußabdruck. (Foto: Tarkett-Desso)

Das Ziel der Europäischen Union, bis 2050 als erster „Kontinent“ klimaneutral zu werden, treibt einem nicht nur Freudentränen in die Augen. Im Fahrwasser des sogenannten Green Deal-Konzepts zur Umsetzung dieses Vorhabens erreichen uns aus Brüssel immer wieder neue (politische) Programme, wie beispielsweise das zum „Recht auf Reparatur“. Auch wenn der Raumausstatter dabei nicht im Fokus steht, die EU-Kommission hat hier vor allem Elektrogeräte im Blick, kann er sich in diesem Fall entspannt zurücklehnen oder eben die Ärmel hochkrempeln, denn in seinem Gewerk gehört die Reparatur zum Tagesgeschäft. Und auch bei Trendthemen wie der Kreislaufwirtschaft blickt das raumausstattende Handwerk auf eine lange Tradition zurück. Seine werterhaltenden Dienstleistungen tragen seit jeher dazu bei, Produkte möglichst lange im Kreislauf zu halten. Der Sessel, der wieder aufgearbeitet werden kann, die Dekoration, die nach der Reinigung wie neu aussieht, die Markise, die mit neuem Tuch ein zweites Leben bekommt oder das Parkett, das mit seinen Renovierungszyklen häufig sogar noch mit der Immobilie vererbt wird, stehen für den schon immer gelebten Green Deal im Handwerk. Handwerkliche Dienstleistungen tragen also gezielt zu einer Verlängerung des Lebenszyklus bestimmter Produkte bei, was letztlich zur Verbrauchsoptimierung führt und damit zum Ressourcenschutz.

Nachfrage steigt

Wie eine aktuelle Studie der Heinze Marktforschung zeigt, registrieren unter anderem verschiedene Ausbaugewerke ein zunehmendes Interesse ihrer Kunden an nachhaltigen Produkten. Zudem weisen sie im eigenen Interesse ihre Zielgruppe auf alternative Produkte oder Verarbeitungstechniken hin, die eine bessere Ökobilanz aufweisen als eine konventionelle Lösung. Gleichzeitig wünschen sie sich von ihren Zulieferern konkretere und nachvollziehbare Aussagen und Nachweise zum ökologischen Fußabdruck der gelieferten Waren. Auch interessant: Aus der Studie „Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft“ des Marktforschungsinstituts B+L Marktdaten geht hervor, dass gut 80 Prozent der Eigenheimbesitzer die Energieeffizienz als primäres Merkmal der Nachhaltigkeit ansehen. Nahezu ebenso wichtig sind ihnen aber auch Haltbarkeit und Langlebigkeit der eingesetzten Materialien und ausgeführten Leistungen. „Die lange Nutzung oder eine mögliche Umnutzung von Materialien beziehungsweise Gebäuden ist ein primäres Merkmal der zirkulären Bauwirtschaft“, heißt es in der Studie, die zwei zentrale Herausforderungen zur Umsetzung des Green Deal skizziert: Für einen weiter stark wachsenden Sanierungsmarkt müssen Lösungen für eine ressourcenschonende Sanierung des Bestands sowie für eine zirkuläre Bauwirtschaft gefunden und Fachkräfte ausgebildet und beschäftigt werden.

Mehrheitlich registrieren verschiedene Ausbaugewerke ein zunehmendes Interesse ihrer Kunden an nachhaltigen Produkten, wie eine Studie der Heinze Marktforschung zeigt.

Chancen für das Handwerk

Renovierung, Instandhaltung und Reparatur gehören zur Kernkompetenz des Raumausstatter-Handwerks genauso wie die Neuanfertigung. Zudem ist der Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Bewusstsein dieses Gewerks verankert ebenso wie die starke Regionalität des Angebots. Diese täglich gelebten Fähigkeiten bieten Chancen am Markt – vorausgesetzt, man steht neuen Materialien und Verarbeitungstechniken offen gegenüber. Gleichzeitig wird es für Zulieferer in Zukunft nicht mehr ausreichen, „nur“ gute Produkte zu liefern, sie werden sich an der Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Aussagen zum Thema Nachhaltigkeit messen lassen müssen. Die Politik wäre gut beraten, bereits funktionierende Strukturen in der handwerklichen Umsetzung nicht mit bürokratischen Regelungen zu belasten. Denn diese binden Zeit, die für die Erfüllung von Kundenaufträgen und damit zur Umsetzung des Green Deal genutzt werden könnte.

Nicht nur die Neuanfertigung, sondern auch Renovierung, Instandhaltung und Reparatur gehören zur Kernkompetenz des Raumausstatter-Handwerks. (Foto: Dirk Busch)