Wandergeselle Vincent reist und arbeitet in Deutschland und den Nachbarländern. Im Gespräch gibt er Einblicke in das Leben auf der Walz.

Auf seiner Wanderschaft hat Vincent das klassische Polstern für sich entdeckt.

Vincent, wie lange bist du schon unterwegs?

Seit dreieinhalb Jahren bin ich bereits auf Wanderschaft, habe in dieser Zeit 15 Länder bereist und in sieben verschiedenen Nationen als Raumausstatter gearbeitet.

Was hat dich dazu bewegt?

Ich habe schon als Kind in der Sendung mit der Maus gesehen, dass Zimmerer auf Wanderschaft gehen können. Das fand ich cool: Arbeiten und Reisen. Ein etwas anderer Weg als das klassische Work and Travel. Ich habe meine Ausbildung gemacht, wollte aber immer noch einmal weg von zuhause. Dann habe ich eine Raumausstatterin auf Wanderschaft kennengelernt, Helene, und wusste, dass ich das auch machen will. Für mich ist die Wanderschaft alternatives Reisen und alternative Weiterbildung.

Wie läuft eine Walz ab?

Man ist zu Fuß unterwegs oder man trampt. Eine wichtige Regel schreibt vor, dass wandernde Gesellen grundsätzlich für Unterkunft und Fortbewegung kein Geld ausgegeben dürfen. Ich bin Gast bei Menschen, die mich aufnehmen. Was die Arbeit betrifft, stelle ich mich einfach bei Betrieben vor und frage, ob sie einen Job haben. Ich lerne unterwegs immer wieder Leute kennen, beispielsweise auf Messen, oder werde angesprochen.

Wo hast du angefangen?

Meine erste Arbeit auf Wanderschaft war in Schleswig-Holstein, Neumünster, bei einem Arbeitgeber, der uns angesprochen und Arbeit angeboten hat. Damals war ich noch mit Helene unterwegs. Man geht ja anfangs nicht einfach los, sondern wird abgeholt von einem Altgesellen, quasi einem Mentor. Ich habe auch schon einen „neuen“ Wandergesellen betreut und diese Position innegehabt. Von den Altgesellen lernt man: Wie komme ich von A nach B, welche Regeln gibt es, wie finde ich Arbeit, aber auch die Geschichte der Wanderschaft. Anfangs ist man noch auf Probe unterwegs, in dieser Zeit kann man noch abbrechen. Irgendwann entscheidet sich der Reisende aktiv für mindestens drei Jahre. Die Vorstellung, dass man einen Plan für eine „Grundtour“ hat, entspricht aber nicht der Realität. Oft geht es kreuz und quer.

Wie ging die Reise weiter?

Am Anfang der Reise war ich viel im deutschsprachigen Raum unterwegs, zumal ich während der Corona-Zeit auf Reise ging und die Mobilität eingeschränkt war. Ich habe sehr viel gearbeitet. Es heißt, man soll im ersten Jahr im deutschsprachigen Raum bleiben, damit man sattelfest wird. Dann ging es mit Auslandsreisen los: Rumänien, Frankreich, Österreich, Dänemark, Italien. Das ging ein bisschen hin und her. Mein Einsatz in Wien zum Beispiel hat etwas Vorbereitungszeit gebraucht. Dort habe ich in einem staatlichen Museum gearbeitet und Möbel aus der Zeit der K.u.K-Monarchie restauriert. Der Job davor war in einer rumänischen Polstermöbelfabrik, das war das komplette Gegenteil.

Wo arbeitest du aktuell?

Bei einer privaten Möbelsammlung in der Restaurierung. Das macht auch richtig Spaß. In den ersten Wochen habe ich ein Möbelstück wieder aufgearbeitet und jetzt bin ich gerade mit einer klassischen Neuanfertigung beschäftigt. Die Aufgabe ist sehr anspruchsvoll, ich brauche historische Techniken. In den letzten Tagen habe ich sehr viel geschnürt. Restaurierung und klassisches Polstern ist etwas, was ich in meiner Ausbildung zwar gelernt, aber nicht angewendet habe. Den Einstieg hatte ich in Wien, danach habe ich in Frankreich gearbeitet, wo sehr traditionell gepolstert wird. Dort gibt es eine ganz andere Wertschätzung für Möbel. Auch in der Schweiz konnte ich klassisch polstern.

Wie lange wirst du noch unterwegs sein? Bei dir sind es ja schon mehr als drei Jahre.

Spätestens Ende des Jahres möchte ich wieder nach Hause.

Du kommst aus einer Raumausstatter-Familie?

Ja, ich bin quasi im Betrieb groß geworden – im Laufstall in der Werkstatt – wollte aber nie Raumausstatter werden und bin über Umwege wieder zurückgekommen. Von zuhause wurde ich nie dazu gedrängt.

Was hast du während der Walz gelernt?

In jedem Betrieb habe ich etwas Neues erfahren, da jedes Unternehmen anders ist. Ich habe handwerklich viel dazugelernt, aber auch in der Polstermöbelfabrik neue Erfahrungen gemacht.

Was nimmst du für dich persönlich mit?

Wanderschaft ist persönlichkeitsentwickelnd. Dadurch, dass man auf Menschen zugehen muss, lernt man viele Leute kennen, die einem oft helfen. Wenn man zwei Stunden im Regen steht, freut man sich sehr über ein Auto, das einen mitnimmt. Die Welt ist besser, als sie dargestellt wird. Man erlebt auch skurrile Momente. Die Wanderschaft ist eine Tradition, die drei Jahre lang dein Leben bestimmt.

Vielen Dank für das Gespräch.