65 Prozent gaben in der RZ-Leserumfrage 2021 an, die Auswirkungen der längeren Lieferzeiten erheblich zu spüren.


Die solide Auftragslage im Handwerk wird zunehmend durch Störungen in den Lieferketten belastet – noch sind die Lager aber überwiegend gefüllt.

Heute bestellt, morgen verschickt, übermorgen geliefert! Eine stetige Warenverfügbarkeit ist auch in der Raumausstatter-Branche selbstverständlich. Lediglich Verbrauchsmaterial wird noch auf Vorrat gekauft, größere Mengen Deko- oder Polsterstoffe, Bodenbeläge oder Wandfarbe legt sich keiner mehr ins Lager. An auftragsbezogene Bestellungen und Lieferungen zum Zeitpunkt der Verarbeitung haben wir uns gewöhnt. Doch die Formel „just in time“ geht dieser Tage oft nicht mehr auf. Lieferengpässe und teilweise enorme Preissteigerungen erschweren derzeit die Arbeit des Handwerks. Die Kalkulation für ein schlüsselfertiges Haus im Juni 2021 liegt rund ein Drittel über dem Fertigstellungspreis von 2019. Und: Der Zeitpunkt des Einzugs kann heute nicht mehr fixiert werden, zu ungewiss ist das Zusammenspiel aller Gewerke. Verzögert sich beispielsweise die Errichtung des Dachstuhls, weil Dachlatten fehlen, oder kommt der Estrichleger nicht weiter, weil er die Dämmung nicht rechtzeitig auf die Baustelle bekommt, stehen auch alle Folgegewerke in der Warteschleife.

Erwartbare Preiserhöhungen

Die RZ-Leserumfrage im Juni 2021 hat gezeigt, dass die negativen Entwicklungen beim Einkauf mittlerweile voll durchschlagen. Fragt man auf Industrie- und Groß- handelsseite nach den Gründen für die Verteuerung von Waren, wird größtenteils gemauert. Bestenfalls gibt es Erklärungsversuche die Corona, fehlende Container, den Stau im Suezkanal, den Bauboom in Nordamerika oder weltweite Produktions- ausfälle ins Feld führen. Die Wahrheit wird wie so oft in einem Mix aus diesen und vielen anderen Faktoren liegen. Dazu gehört eben auch die ungebrochene Nach- frage bei Bau- und Ausbaugewerken: Die Corona-Krise hat einmal mehr den Effekt verstärkt, das Geld in Beton statt in Sparverträgen anzulegen. Zudem ist das Bewusstsein fürs Eigenheim gestiegen: „Wenn ich schon nicht reisen oder aus dem Haus darf, will ich wenigstens schön wohnen!“ Fakt ist aber auch, dass die nun folgenden Preiserhöhungen erwartbar waren. Einerseits, da im Mittel der letzten Jahre die Materialbeschaffungskosten eher stagnierten als anstiegen und nun gewisse Nachholeffekte greifen. Andererseits müssen steigende Erdöl- und Energiekosten, die Aufwendungen zur Einhaltung der Klimaziele oder die massiv verteuerten Logistikkosten eingepreist werden. So gesehen steht die Branche spätestens 2022 vor weiteren Preiserhöhungen. Die Lieferengpässe in der aktuellen Form werden sich bis dahin aber wieder normalisieren, heißt es aus der Branche. Zu erwarten ist auch, dass unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit Kollektionen stärker als bis- her ausgedünnt und das Portfolio vielerorts verschlankt werden. Gut, wer hier auf Klasse statt Masse setzt.