Zirkuläres Bauen ist aktuell noch ein Wunschdenken, doch der Trend, nachhaltiger zu leben, beflügelt auch die Baubranche, neue Konzepte für das wiederverwertbare Eigenheim zu entwickeln.

Das erste offizielle Recycling-Haus Deutschlands wurde bereits vor fünf Jahren errichtet. Über die Hälfte der verbauten Materialien des wiederverwertbaren Eigenheims konnte vor der Deponie gerettet, aufbereitet und neu eingebaut werden. Die Innentüren stammen aus einem alten Bauernhaus, Fassadenteile vom Abbruch eines Fabrikgebäudes, benutzte Kakaobohnen-Jutesäcke helfen beim Dämmen der Wohnräume. Obwohl das dreistöckige Gebäude zu einem großen Teil aus Secondhand-Materialien besteht, erreicht es den Standard eines Niedrigenergiehauses. Zudem wurde auch darauf geachtet, dass beim späteren Rückbau eine einfache Materialtrennung und Wiederverwertung möglich ist. So wurden beispielsweise die Heizungsrohre auf der Wand statt eingeputzt verlegt und das Tragwerk aus Holz gefertigt, und nicht aus Stahl und Beton.

Ein Beispiel dafür, wie der Raumausstatter mit seiner Arbeit Nachhaltigkeitsziele des Bauherrn verwirklichen kann, ist der Neubau des Göttinger Studentenwohnheims Basecamp: Hier trägt ein DLW Linoleumbelag von Gerflor zur DGNB-Zertifizierung bei. (Foto: Marco Bühl Photography)

Deponieren ist billiger als recyceln

Bis solche Bauweisen zum Standard werden, ist es noch ein weiter Weg, der mit Bürokratiehürden verstellt ist. Ersatz- und Recyclingbaustoffe sind heute noch Mangelware, da es nach wie vor günstiger ist, zu deponieren als zu recyceln. Zudem gelten aufbereitete Baustoffe als Abfall, was viele Bauherren – gerade auch aus der öffentlichen Hand – davon abhält, diese einzusetzen. Ganz von der Hand zu weisen ist die Skepsis aber nicht, schließlich bestehen für Secondhand-Häuser die gleichen Gewährleistungsfristen wie für „Neubauten“. Gesetzliche Regelungen wie die Ersatzbaustoffverordnung oder die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie können helfen, neue Bauweisen mit alten Materialien zu etablieren – ein Schnellschuss wird das aber nicht. Dabei drängt die Zeit: Über die Hälfte unseres Abfallaufkommens besteht aus Bau- und Abbruchmaterialien. Eine Recyclingquote von über 50 Prozent weist derzeit nur der Bauschutt auf, der allerdings wiederaufbereitet überwiegend im Straßenbau eingesetzt wird. Die Fensterrecycling-Initiative Rewindo gibt an, 2024 rund 40 Prozent des Aufkommens an alten Kunststofffenstern zu neuen Rohstoffen verarbeiten zu können. Bei Bodenbelägen dürfte sich die Recyclingquote im Promillebereich befinden: Wenn überhaupt, wird thermisch verwertet, also verbrannt und ansonsten deponiert, aber Bemühungen, das zu ändern, sind bereits erkennbar. Auch die Unternehmen und Verbände der Tapeten-, Heimtextil- und Sonnenschutz-Branche arbeiten an Rücknahmesystemen und der Ertüchtigung ihrer Produkte zur Wiederverwertung, idealerweise in einem geschlossenen Werkstoffkreislauf.

Wiederverwertbares Eigenheim: Chancen für das Handwerk

Bis 2030 will die europäische Bauwirtschaft 55 Prozent der Treibhausgase reduzieren und bis 2050 vollständig klimaneutral agieren. Erreicht werden kann dieses ambitionierte Ziel nur, wenn alle Akteure dazu beitragen – vom Auftraggeber über die Bauindustrie bis zu den Herstellern der Materialien. Für den Bau von Gebäuden ist hier insbesondere der Hochbau gefragt, aber auch die Ausbaugewerke müssen früher oder später ihren Teil dazu beitragen. Schon heute werden Gewerbebauten nur noch finanziert, wenn sie strenge Auflagen der EU-Taxonomie erfüllen. Und auch die KfW macht ihre Finanzierungszusage immer stärker von einer nachhaltigen Bauausführung abhängig. Unterm Strich ergeben sich aber gerade für das raumausstattende Handwerk Chancen, von dieser Entwicklung zu profitieren. Schon heute können gezielt Produkte mit einer verbesserten Ökobilanz angeboten werden: Textilien aus recycelten Fasern sind für Polstermöbel, Dekorationen oder Sonnenschutzanlagen erhältlich. Tapeten mit Recyclinganteilen oder Bodenbeläge, die nach ihrem Nutzungsende der Wiederverwertung zugeführt werden, sind qualitativ gleichberechtigt.

Die Gundlach Gruppe hat bereits 2019 ein Recycling-Haus in Hannover errichtet, das überwiegend aus Secondhand- Materialien besteht und zudem leicht wieder zurückgebaut werden kann.

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